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Freitagskommentar

Heißt alt werden länger krank sein?

Woody Allen sagte einmal: „Altern ist ein schlechtes Geschäft. Wenn Sie können, lassen sie es.“

Wir stellen uns das Alter oft als ein einziges Jammertal vor, mit Krankheit, Gebrechlichkeit und Pflegebedürftigkeit. Ist das nicht zu pessimistisch?

Die Frage ist: Wenn wir zunehmend länger leben, sind wir dann zwangsläufig auch länger krank (Morbiditätsexpansion)? Oder bleiben wir länger gesund und werden erst deutlich später krank (Morbiditätskompression)?

Gesundheitserwartung ist höher für Männer

Eine grobe Orientierung liefert zunächst einmal ein EU-Indikator: die „Gesundheitserwartung“ oder „Gesunde Lebensjahre“. Damit ist die durchschnittliche Zahl der Jahre gemeint, die wir ab Geburt voraussichtlich in guter gesundheitlicher Verfassung leben werden. Diese betrug 2020 für Frauen in Deutschland 64,5 Jahre, für Männer 63,5 Jahre. Das entspricht etwa 77,6% der gesamten Lebenserwartung von Frauen (83,6 Jahre) und 81,9% der gesamten Lebenserwartung von Männern (78,9). Kurzum: Frauen leben zwar länger als Männer, sind aber länger krank. Männer leben kürzer als Frauen, sind aber länger gesund.

Wer heute älter ist, ist später kürzer krank (Morbiditätskompression)

Deutsche und internationale Studien belegen, dass sich ältere Männer (die „jungen Alten“) zumindest bei einigen Erkrankungen (deren Entwicklung im Zeitverlauf untersucht wurde) über eine deutliche Morbiditätskompression freuen können. Aussagekräftige Daten liegen z.B. für Herzinfarkt, Schlaganfall, Lungenkrebs und Demenz vor (Geyer et al. 2020).

Beispiel Herzinfarkt: In den letzten 20 Jahren hat die Inzidenz deutlich abgenommen, ganz besonders in der Altersgruppe der 70 bis 79jährigen Männer. Das erstmalige Auftreten eines Herzinfarktes verschiebt sich durchschnittlich nach hinten auf das 67. Lebensjahr. Gründe dafür könnten – neben medizinischem Fortschritt – zunehmendes präventives Verhalten sein, doch empirische Belege dafür fehlen noch.

Beispiel Lungenkrebs: Lungenkrebs ist ebenfalls eine typische Männerkrankheit in Zusammenhang mit starkem Nikotinkonsum. Da sich dieser deutlich reduziert hat, wird die Diagnose seltener gestellt, inzwischen erst bei einem Alter von durchschnittlich 68,4 Jahren.

Neben diesen erfreulichen Entwicklungen können Männer allerdings auch bei bestimmten Erkrankungen mit zunehmendem Alter von einer Morbiditätsexpansion betroffen sein.

Wer heute jünger ist, ist später länger krank (Morbiditätsexpansion)

Beispiel Typ-2 Diabetes: Männer sind häufiger von Typ-2 Diabetes betroffen, der eigentlich eine Erkrankung des höheren Lebensalters ist. Trotzdem hat sie in den letzten Jahren besonders im jungen Erwachsenenalter zugenommen, bedingt durch ungesunde Ernährung und mangelnde Bewegung. US-Daten geben eine jährliche Zuwachsrate von 7,1% an. Die Folge: Die Krankheit expandiert auf zukünftige Lebensjahre mit dem Risiko von Komorbiditäten und einer verkürzten Lebenserwartung. Diese Morbiditätsexpansion könnte allerdings durch einen gesunden Lebensstil bereits in jungen Jahren verhindert werden.

Schöne Aussichten für ältere Männer, aber leider nicht für alle Männer

Insgesamt sind dies überwiegend schöne Aussichten für ältere Männer, die Woody Allen natürlich noch nicht kannte: Die Raten bestimmter Erkrankungen sind insgesamt gesunken bzw. ihr erstmaliges Auftreten verschiebt sich auf ein späteres Lebensalter. Wird diese positive Entwicklung anhalten? Die Experten sind skeptisch. Bessere Gesundheit und ein längeres Leben ist eher den in den 1950er und 1960er Geborenen, den sog. Babyboomern, beschieden.

Adipositas auf dem Vormarsch

Für die später geborenen Generationen sieht es nicht so rosig aus: Auffallend und alarmierend ist der enorme Anstieg von Adipositas (Fettleibigkeit) bei der heutigen Jugend. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts sind insgesamt 60,5% Männer übergewichtig (Frauen 46,6%), davon 19% adipös. Die WHO spricht von einem „epidemischen Ausmaß“ in Europa. Die Folgen im weiteren Lebensverlauf sind Diabetes, Bluthochdruck, Herzinfarkt und Fettleber. Eine große Herausforderung für den Einzelnen, für Prävention, Aufklärung und Gesundheitsversorgung – denn 80% des Typ-2 Diabetes könnten verhindert werden.

Fazit für ältere Männer: carpe diem, den Tag und die gute Gesundheit bewusst genießen

Fazit für junge Männer: bastelt nicht nur an Autos oder eurer Karriere, sondern auch an einem gesunden Lebensstil


Literatur

Geyer S, Sperlich S, Zeitliche Trends in Morbidität und Gesundheit bei Männern in Deutschland. In: Jürges H, Siegrist J, Stiehler M (Hg.) Männer und der Übergang in die Rente. Psychosozial-Verlag 2020, S. 31-44

Geyer S, Eberhard S, Kompression und Expansion der Morbidität. Ein Vergleich von Kohorten gleichen Alters zu verschiedenen Zeitpunkten. Dtsch Ärtzel Int 2022; 119: 810-5

Robert Koch-Institut, Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland – Ergebnisse der Studie GEDA 2019/2020-EHIS. Journal of Health Monitoring 2022 7(3) DOI 10.25646/10292

 

Stiftung Männergesundheit
Prof. Dr. Anne Maria Möller-Leimkühler

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