Freitagskommentar
Männer, freut Euch aufs Alter!
Zum Jahresanfang eine positive Nachricht!
Noch einmal soll Woody Allen zu Wort kommen: „Altern ist ein schlechtes Geschäft. Wenn Sie können, lassen sie es.“ Das ist kein guter Vorschlag, denn wenn wir nicht alt werden, verpassen wir eine ganze Menge. Das Alter ist kein Jammertal, schon gar nicht für Männer. Das Tal der Tränen liegt dann schon hinter ihnen.
Das U-Prinzip der Lebenszufriedenheit
Wenn Männer erst einmal die narzisstische Kränkung des Alterns samt Midlife-Crisis überwunden haben, geht es richtig aufwärts mit der Zufriedenheitskurve, auch wenn niemand das erwartet hätte. Denn die Zufriedenheitskurve verläuft U-förmig: hohe Zufriedenheit mit 20, dann – in der Rushhour des Lebens stetiger Abfall beginnend um die 40 mit Tiefpunkt um die 50, schließlich ab 60 rasanter Aufstieg in jugendliche Höhen. Ab 75 oder sogar noch später geht’s dann wieder ein bisschen abwärts.
Grafik: Grözinger G, Piper A. Gender(un)gleichheit im Lebensverlauf. Wirtschaftsdienst – Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 2019, 99 (4), 272–277. Copyright © ZBW, Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Männer haben markanteres U als Frauen
Bei Männern ist diese U-Kurve noch deutlicher ausgeprägt als bei Frauen, d.h. die Kurve sinkt noch tiefer nach unten, um dann um so steiler und höher wieder anzusteigen. Das klingt ja fast zu schön, um wahr zu sein. So ist es aber, denn dahinter stehen zahlreiche internationale Studien, die diesen traumhaften Glücksanstieg in der zweiten Lebenshälfte als universelles Prinzip bestätigen. Und zwar relativ unabhängig von Geld und Gesundheit. Damit liegen ältere und alte Männer in ihren Zufriedenheitswerten weit über denen der Frauen. Warum ist das so?
Bessere Karten, Paradoxe und Anspruchsniveaus
Männer haben im Prinzip gut lachen: sie haben in der Regel mehr Geld als Frauen, eine bessere Rente und sind im Alter noch oder wiederholt verheiratet. Das ist schon eine ganze Menge, aber es ist nicht alles.
Altersbedingte Gesundheitsbeschwerden lassen irgendwann nicht mehr auf sich warten und lassen sich auf Dauer auch nicht mehr ignorieren, obwohl Männer gute Verdrängungskünstler sind. Das ist wohl nicht von ausschlaggebender Wichtigkeit, denn: ab dem Eintritt ins Rentenalter geht es parallel zur Lebenszufriedenheit auch mit der subjektiven Gesundheit wieder erfreulich bergauf. Insbesondere 65-79jährige „junge alte“ Männer schätzen ihre Gesundheit sehr viel besser ein (im Vergleich zu ihren mittleren Jahren und zu Frauen gleichen Alters). Das bleibt auch im weiteren Altersverlauf stabil, unabhängig von zunehmenden funktionellen Einschränkungen, von denen Männer allerdings auch objektiv weniger betroffen sind als Frauen. Dieses Phänomen wird in der Alterspsychologie auch als „Wohlbefindensparadox“ bezeichnet oder als „Positiviätseffekt des Alters“, nämlich immer eher das Gute als das Schlechte sehen zu wollen. Oder in der Soziologie als „Angepasstes Anspruchsniveau“, wonach die eigenen Erwartungen den realen Bedingungen angepasst werden: Möglichkeiten, zufriedener zu werden. Diese psychologischen Tricks funktionieren mit zunehmendem Alter offensichtlich immer besser, wenn sich Gelassenheit und Reife (idealerweise) einstellen, um mit Altersverlusten besser umzugehen.
Wenn Sie einmal den späten Pianisten Arthur Rubinstein hören sollten,
dann müssen Sie folgendes wissen: er stand mit 91 Jahren noch auf der Bühne, nicht nur, weil er ein berühmter Weltklasse-Pianist war, sondern auch seine Tricks hatte:
Mit seinen nachlassenden pianistischen Fähigkeiten ist er sehr geschickt umgegangen: er verringerte sein Repertoire mit Schwerpunkt auf eher langsame Stücke (Selektion), er übte mehr (Optimierung) und er verringerte sein Tempo vor schnellen Passagen, so dass diese Passagen schneller wirkten, als er sie tatsächlich spielte (Kompensation). Damit beschrieb er das SOK-Modell von Baltes, ohne es zu kennen. Und: er benutzte Haarspray nicht nur für seine Haare, sondern sprühte es auch auf die Tasten, um einen besseren Griff zu haben.
Literatur
Baltes PB, Baltes MM. Optimierung durch Selektion und Kompensation. Ein psychologisches Modell erfolgreichen Alterns. Zeitschrift für Pädagogik, 35 (1989) 1, S. 85-105
Karwetzky C, Michaelsen MM Werdecker L, Esch T. The U-curve of happiness revisited: Correlations and differences in life satisfaction over the span of life- An empirical evaluation based on data from 1 597 individuals aged 12-94 in Germany. Front Psychol.2022, 13: 837638)
Herschbach P. Das „Zufriedenheitsparadox” in der Lebensqualitätsforschung. Wovon hängt unser Wohlbefinden ab? Psychother Psychosom Med Psychol 2002; 52(3/4): 141-150
Stiftung Männergesundheit
Prof.Dr. Anne Maria Möller-Leimkühler