Mehr Männer als bisher angenommen erkranken HPV-bedingt an Krebs
Rund 2.900 Männer erkranken jährlich HPV-bedingt an Krebs, deutlich mehr als bisher angenommen. Ein großer Teil davon könnte durch Impfungen vermieden werden. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung des Robert-Koch-Instituts.
Hinweis: Mit dem Thema HPV Imfpung bei Jungen befasst sich auch Band 33 unserer Wissensreihe. Für Mitglieder des Fördervereins ist der Bezug kostenlos, es fallen lediglich Versandgebühren an.
Seit Anfang der 1980er Jahre ist das Humane Papillomvirus (HPV) als Ursache für bestimmte Tumore bekannt. Zunächst konzentrierte sich die Forschung und Prävention auf Gebärmutterhalskrebs, der ausschließlich durch das Virus verursacht wird. Allerdings erhöht eine HPV-Infektion auch die Wahrscheinlichkeit für Tumore im Rachen (Oropharynx), am Anus und Penis.
Wie eine im Epidemiologischen Bulletin vorgestellte Studie zeigt, gibt es deutlich mehr HPV-bedingte Krebsfälle bei Männern als bisher angenommen. „HPV-bedingte Krebserkrankungen bei Männern – ein unterschätztes Risiko“ überschreibt die Fachpublikation des Robert-Koch-Instituts ihren Beitrag deshalb.
Einer von fünf Männern mit HPV-Hochrisikotyp
Etwa einer von fünf Männern ab fünf Jahren ist einer umfangreichen Datenerhebung in Deutschland und Österreich zufolge mit einem HPV-Hochrisikotyp infiziert (HPV-16 und HPV-18). Bei jährlich 1.900 Männern führt das zu einer Krebserkrankung. Eine Studie aus den Jahren 2017 und 2018 war noch von wesentlich niedrigeren Zahlen ausgegangen. Für das Oropharynxkarzinom in der Rachengegend werden statt 640 bis 1.380 Fälle jetzt 1.900 Fälle angenommen, fast dreimal so viele wie die unter Grenze aus der Vorgängerstudie und sogar fast 50 Prozent mehr als die obere Grenze.
Allerdings lässt sich die Gefahr, dass eine HPV-Infektion zu Krebs führt, verringern, vor allem durch den Verzicht aufs Rauchen.
Weitere 1.000 Fälle betreffen Penis und Anus, ebenfalls mehr als bisher vermutet. Rund zwei Drittel der HPV-bedingten Karzinome betreffen den Anus, ein Drittel den Penis. Zwar sind Krebserkrankungen am Penis etwas häufiger als am Anus, der Großteil davon ist allerdings nicht HPV-bedingt.
- Oropharynxkarzionom (Rachen):
- 1.900 Betroffene
- Schätzung bisher (Mittelwert): 1.010
- Plattenpithelkarzionom:
- 1.000 Betroffene
- Schätzung bisher (Mittelwert): 827
- davon:
- Penis: 350
- Anus: 650
Gemessen an der Gesamtzahl von 270.000 Krebserkrankungen bei Männern möge diese Zahl klein erscheinen, so die RKI-Autoren Dr. Klaus Kraywinkel und Dr. Anja Takla. Auf der anderen Seite handele es sich um „2.900 schwerwiegende und potenziell lebensbedrohliche Erkrankungen pro Jahr, die – aufgrund der langen Latenzzeit von Jahren bis Jahrzenten [sic!] bis zur Tumorbildung – mittelfristig durch die sehr wirksame und sichere HPV-Impfung zu einem sehr großen Teil vermeidbar wären.“
STIKO: HPV-Impfung bei Jungen sinnvoll
Schon seit 2018 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) deshalb die HPV-Impfung auch für Jungen. Allerdings ist bisher nur rund ein Drittel der Jungen gegen HPV geimpft, bei den Mädchen liegt die Impfquote deutlich höher. Besonders niedrig ist die Quote im Landkreis Mühldorf in Südost-Oberbayern. Nur 9 Prozent der Jungen sind hier geimpft. Im Stadtkreis Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt sind es dagegen 72 Prozent, nur neun Prozentpunkte weniger als bei den Mädchen.
Regionale Unterschiede
Diese Unterschiede sind nur teilweise auf die Arbeit der Gesundheitsbehörden zurückzuführen. Die Region Mühldorf ist traditionell impfkritisch. Einmal handelt es sich um eine städtische, dann um eine ländliche Region, eine liegt in Ost- und eine in Süddeutschland. Auch auf Bundesländerebene liegt mit Mecklenburg-Vorpommern ein ostdeutsches Land ganz oben und mit Baden-Württemberg ein süddeutsches ganz unten.
Trotzdem zeigen die Daten, dass bei der Impfquote Luft nach oben ist und das hohe Impfquoten möglich sind. „Die Daten legen den Schluss nahe, dass gerade Eltern von Jungen häufiger auf eine Aufklärung über das präventive Potenzial der HPV-Impfung und eine Empfehlung des medizinischen Personals angewiesen wären“, so die beiden Autoren. Allerdings zeige eine noch unveröffentlichte Befragung von Eltern, dass weniger als die Hälfte eine Impfempfehlung von der Hausärztin oder dem Hausarzt erhalten hatte. Auch hier müsste Aufklärung also ansetzen.