Überschätzen Männer ihre Gesundheit?
Männer sind im Durchschnitt mit Ihrer Gesundheit zufriedener als Frauen. Das zeigt eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Berliner Institut stützt sich dabei auf Zahlen des Sozioökonomischen Panels (SOEP), einer der umfassendsten Erhebungen von sozioökonomischen und soziologischen Daten. Die zitierten Daten stammen zwar aus dem Jahr 2021, doch der Trend ist einigermaßen stabil. Männer schätzen ihren Gesundheitszustand um konstant etwa 0,3 Punkte höher ein als Frauen, im Jahr 2021 mit 6,9 statt 6,6 von 10,0 möglichen Punkten. Wie passt das zur Tatsache, dass Männer gesundheitlich das „schwache Geschlecht“ sind?
Gesundheitliche Probleme von Männern weniger sozial akzeptiert
Ein wichtiger Punkt wird im Wochenbericht gleich aufgegriffen. Die Unterschiede könnten „auch durch abweichende Normen erklärt werden. Denn Studien zeigen, dass die meisten Menschen es für sozial inakzeptabel halten, wenn Männer über gesundheitliche Probleme berichten.“ Das DIW beruft sich dabei hauptsächlich auf eine Arbeit von Eve Caroli und Lexane Weber-Baghdiguian mit dem Titel „Self-Reported Health and Gender: The Role of Social Norms. Social Science & Medicine“ (dort Seiten 153, 220–229).
Das würde auch erklären, warum Männer trotz ihres tendenziell schwächeren Immunsystems nach Daten der Techniker Krankenkasse weniger oft am Arbeitsplatz fehlen. Neben der Anforderung, nicht krank sein zu dürfen, könnte dabei auch eine Rolle spielen, dass Männer in vielen Familien nach wie vor der Hauptverdiener sind und deshalb nicht fehlen wollen, um ihren beruflichen Aufstieg nicht zu gefährden.
Weitere Einflussfaktoren
Daneben kann aber noch ein weiterer Faktor eine Rolle spielen. Gesundheitliche Probleme führen bei Männern häufiger zum Tode, während Frauen darunter zwar leiden, aber nicht versterben. „Gleichzeitig leiden Frauen häufiger als Männer an einigen hormonell bedingten physischen und psychischen Erkrankungen, insbesondere im Zusammenhang mit ihrem Zyklus, Schwangerschaft, Geburt und den Wechseljahren“, schreibt das DIW als Erklärung für das scheinbar paradoxe Ergebnis. An diesen Problemen versterben nur wenige Frauen, sie beeinträchtigen aber ihre Gesundheitszufriedenheit.
Eine weitere Erklärung liegt im Wesen der Befragung selbst: Tote können nicht mehr auf Umfragen antworten. Mit anderen Worten: wenn Männer früher als Frauen unter bestimmten Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, senkt das zwar zunächst ihre Gesundheitszufriedenheit, Frauen durchlaufen diese Phase aber auch, nur eben später.
Ein Blick auf die gesunde Lebenserwartung zeigt sogar, dass ein Teil der längeren Lebenserwartung von Frauen in Krankheit verbracht wird. Denn der Unterschied bei der Lebenserwartung ist mit fast fünf Jahren deutlich größer als der Unterschied in der gesunden Lebenserwartung mit etwa zwei Jahren (nach Eurostat-Erhebung).
Fazit
Dass Männer trotz ihrer insgesamt schlechteren Gesundheit zufriedener mit dieser sind, hat verschiedene Gründe und ist auf den zweiten Blick nicht so überraschend, wie es zunächst aussieht. Tatsächlich sind Männer zwar von vielen Krankheiten häufiger betroffen, doch wer verstirbt, kann nicht mehr nach seiner Gesundheitszufriedenheit befragt werden. Doch die Unterschiede bei den Fehltagen am Arbeitsplatz sind ein Hinweis darauf, dass viele Männer ihre Gesundheit nach wie vor überschätzen und zu wenig Rücksicht auf sie nehmen.